Wenn du in einer Stadt oder einem Dorf wohnst, welches früher zu Preußen gehört hat, sind dir vielleicht auch schon mal diese Bäume aufgefallen, an denen scheinbar Brombeeren wachsen. Das sind Maulbeerbäume, aus denen du eine schmackhafte Konfitüre machen kannst. Was hat es damit auf sich?
Im Mittelalter gelangten die ersten Weißen Maulbeerbäume nach Italien und wurden ab 1663 von den Hugenotten mit dem Ziel, Seide zu produzieren, auch in Brandenburg eingeführt. Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm hatte die Hugenotten nach dem Dreißigjährigen Kriege in die Mark Brandenburg geholt und förderte fortan die Anpflanzung der Maulbeerbäume in den Städten sowie insbesondere an Kirchen und auf Dorfplätzen.
Sein Sohn Friedrich-Wilhelm I, bekannt auch als der Soldatenkönig, setzte noch einen drauf. Da Seide damals als Bekleidungsgrundstoff so begehrt war wie heute Plaste, Elaste und Klebstoff wollte er die Seidenproduktion von China und Japan nach Europa holen, um das Abfließen von Devisen aus Preußen zu verhindern. Er forderte - wie es einem Regenten geziemt - die Bevölkerung zur Pflanzung von Maulbeerbäumen auf, so dass viele kleinere Plantagen und Hecken in und um Berlin entstanden. Im Nebenerwerb sollten Bauern, Lehrer und Arbeiter Seide produzieren.
In Berlin an der Potsdamer Straße/Ecke Clay-Allee im Bezirk Steglitz-Zehlendorf steht die kleine Dorfkirche von Alt-Zehlendorf und nebenan der alte Dorffriedhof. Hier stehen zum Beispiel drei über 200 Jahre alte Weiße Maulbeerbäume (Morus alba).
Weitere Maulbeerbäume in Berlin finden wir zum Beispiel hier: Spinner- und Weberkolonie Bölschestraße, Traveplatz und Rudolstädter Straße
Die systematische Förderung des seidenen Gewerbes begann allerdings erst durch den francophilen Fredericus II oder auch „Alten Fritz“. Er warb systematisch ausländische Experten an, lockte mit staatlichen Preisgarantien, gab kostenlos Baumsamen und Seidenspinnereier ab, rief Weiterbildungsprogramme und finanzielle StartUp-Förderungen ins Leben und motivierte die Bevölkerung dadurch, sich an der Seidenproduktion zu beteiligen.
Zwei Jahre vor Fritzens Tod im Jahre 1784 erreichte die Produktion von Seide in Preußen so ihren fulminanten Höhepunkt. Es wurden knapp sieben Tonnen Rohseide produziert, was etwa 5% des damaligen Seidenimports ausmachte. Wahnisnn! Dies zeigt die wirtschaftliche Randbedeutung dieses hoch subventionierten Wirtschaftszweiges. Die Bevölkerung pflanzte zwar die Bäume an, hatte aber keine Lust auf Raupen. Nach dem Tode Friedrichs II. und dem damit verbundenen Ende der Förderung (und Forderung) brach dieser Industriezweig in sich zusammen.
Auch wenn es verlockend ist, verzichte ich an dieser Stelle, Parallelen zu Werften-, Gewerbegebiets- und Internet-StartUp-Förderungen zu ziehen, die maximal Investitionsruinen aber keine Bäume hinterlassen.
Und poetischer geht es nun wirklich nicht:
„... in Tzinistan (Anm.: China) gibt es kleine Eier, die werden den Frauen an den Busen gelegt, und wenn sie in der Wärme dort ausgebrütet sind, kriechen kleine Würmer heraus. Diese werden auf Maulbeerblätter gelegt, von denen sie sich ernähren. Wenn sie erwachsen sind, ziehen sie aus ihrem Körper Seidenfäden und spinnen sich darin ein, als lägen sie in einem Grab. Dann verwandeln sie sich in wunderschöne bunte Schmetterlinge und schlüpfen aus dem Kokon. Bevor sie wegfliegen, dringen die Männchen von hinten in die Weibchen ein und beide leben ohne Nahrung allein von der Wärme ihrer Liebe, bis sie sterben, und sterbend legt das Weibchen seine Eier...“ (Zosimos im Dialog mit Baudolino, in Umberto Eco „Baudolino“ DTV 2004)
Kommentare
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Liebe Kathrin,
wo genau ist die Maulbeerallee in Bestensee?
Ich konnte sie nicht in der Karte und auch keine Angaben im Internet dazu finden.
Gruß
Frank
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Auch heute findet man viele Maulbeerbäume noch im Land Brandenburg. So z.B. In Ludwigsfelde an der Gebrüder-Grimm-Grundschule, in Bestensee gibt es eine Maulbeerallee mit vielen sehr alten Maulbeerbäumen sowie in der Stadt Erkner, welche die Maulbeere sogar im Stadtwappen zeigen.In diesem Jahr waren die Maulbeeren in Ludwigsfelde bereits Mitte/Ende Juni reif und können noch immer geerntet werden. Leider sind die Bäume riesig! Maulbeeren reifen ungleichmäßig über mehrere Wochen. Auf Facebook hatten wir vor ein paar Tagen einen schönen Beitrag hierzu. Werde ich die nächsten Tage eintragen. Hatte gesehen, dass die Standorte noch nicht gezeigt werden.LG Kathrin
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Matrixgirl, am Bahnhof Holten steht ein weißer Maulbeerbaum. So weit weg ist das nicht von Duisburg . Vor ein paar Tagen habe ich gesehen das noch sehr viele Früchte dran sind, allerdings etwas höher. Wird nicht leicht sein .
Der Baum ist von mir eingetragen.
Antwort auf in Weinsberg Lankreis von XXX1 (Nicht überprüft)
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Haste die schon eingetragen?
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in Weinsberg Lankreis Heilbronn am Stattohr oben an der Kirche stehen 2alte Bäume mit lecker Maulbeeren
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Aww ich würde so gern einen maulbeerbaum finden :/