Die Walderdbeere - eine harte Nuss

Was gibt es Schöneres als an einem lauen Sommertag durch die Wälder zu streifen und auf sonnenbeschienenen Lichtungen und am Wegesrand Walderdbeeren zu pflücken? Doch bei Mannis letztem Streifzug lief etwas schief: Die Beeren, die in seinem Körbchen landeten, schmeckten trotz leuchtend roter Farbe trocken und lasch. Was war da los? Manni griff zu seinem Hut, zog die Wanderschuhe an und begab sich, eine Lupe vor sein kleines Apfeläuglein haltend, auf Recherche.

Die Recherche beginnt

Mannis erste Anlaufstelle ist seine Nachbarin Gerlinde. Gerlinde besitzt einen Gemüsegarten, mehrere Apfel-, Birnen- und Zwetschgenbäume und ja, auch ein Erdbeerbeet. Ob sie ihm wohl weiterhelfen kann? Manni öffnet die Pforte und trifft Gerlinde im Garten an, wo sie gerade dabei ist ihre Blumen zu gießen. 

Die einzig wahre Walderdbeere (fragaria vecsa)

Als sie Manni erblickt, stellt sie die Gießkanne ab und kommt ihm entgegen. "Ich brauche deine Hilfe", sagt Manni, streckt seinen kleinen Apfelarm aus und zeigt ihr den enttäuschenden Fund vom Vormittag. Sie greift zu, probiert und verzieht das Gesicht. "Da hat ja Papier mehr Geschmack", ruft sie aus und schüttelt den Kopf. "Ich fürchte, da bist du einer Fälschung aufgesessen mein junger Freund. Ich kann dir zwar nicht sagen, was du da angeschleppt hast, aber es ist definitiv keine Walderdbeere, denn mit denen kenne ich mich aus."

Wer weiß denn sowas?

"Was kannst du mir denn über die Walderdbeere erzählen", fragt Manni. Jetzt wo er sich mit seiner Detektivlupe schon mal auf den Weg gemacht hat, möchte er so viel wie möglich erfahren. "Die Walderdbeere ist in ganz Europa und Nordasien beheimatet und wie ihr Name schon sagt, ist sie an Waldrändern, auf Lichtungen und an Waldwegen zu finden", beginnt Gerlinde ihr Fachwissen herunterzuspulen. Manni nickt und Gerlinde fährt fort: "Zwar wird die Walderdbeere im deutschen Sprachgebrauch als 'Beere' bezeichnet, botanisch gesehen ist sie jedoch eine Nuss." "Ernsthaft?", nun wird Manni hellhörig, "eine Nuss?""Genauer gesagt, ist sie eine Sammelnussfrucht", erklärt Gerlinde. 

Die Frucht umgeben von all ihren Nüsschen  (© Roger Culos, CC BY-SA. 3.0)

"Jedes einzelne Fruchtblatt der Blüte bildet ein 1 Millimeter langes hartschaliges Nüsschen. Zusammen mit der Fruchtachse bilden die zahlreichen Nüsschen dann diejenige Frucht, die du als Walderdbeere kennst." Manni staunt nicht schlecht. Nur bei seiner Ursprungsfrage scheint ihm diese Information nicht so recht weiterzuhelfen. Er bedankt sich und macht sich erneut auf den Weg.

Mehr Schein als Sein

Vielleicht kann Förster Waldemar mir helfen, überlegt Manni und bricht in Richtung Waldrand auf. Dort angekommen bleibt Manni einen Moment stehen, um den Efeu zu bestaunen, der Fassade und Dach des kleinen Forsthauses bedeckt. Dann drückt er die Klingel. Der Förster öffnet die Tür. "Waldemar, du musst mir helfen", sprudelt es aus Manni heraus: "Die Beeren, ich meine, die Nüsse, die ich heute Morgen im Wald gesammelt habe, schmecken nicht. Also weder nach Beere, noch nach Nuss. Gerlinde sagt, es wären gar keine Walderdbeeren." Waldemar schaut in das kleine runde Apfelgesicht. Mannis Apfelbäckchen sind vor lauter Aufregung gerötet. Waldemar wirft einen Blick in Mannis Korb. "Deine Nachbarin hat recht," sagt er. "Was du da gesammelt hast, sind Indische Scheinerdbeeren, auch 'Falsche Erdbeeren' genannt. Sie sehen der echten Walderdbeere sehr ähnlich, du kannst die Pflanze jedoch, wenn du genau hinsiehst, an ihren etwas dunkleren Blättern und ihren gelben Blüten erkennen." Mannis Augen werden größer. 

Getäuscht! Die Indische Scheinerdbeere (potentilla indica) lässt grüßen

"Außerdem erkennst du sie daran, dass bei dieser, ursprünglich aus Südostasien stammenden Zierpflanzenart die Kelchblätter um die Beeren länger geschlossen bleiben und ihre Früchte nach oben zeigen. Zudem ist das Fruchtfleisch, im Vergleich zu den echten Walderdbeeren, wie du ja selbst gemerkt hast, trockener und nahezu geschmacklos." "Danke, Waldemar, du hast mir sehr geholfen! Ein zweites Mal wird die Scheinerdbeere mich nicht täuschen", sagt Manni Mundraub verabschiedet sich vom Förster und macht sich, äußerst zufrieden mit seinem Tagewerk, auf den Heimweg.

Erdbeeren auf der mundraub-Karte

Übrigens: Mit dem Relaunch der mundraub-Seite kommt auch ein neues Erdbeer-Icon, womit ihr nun auch die (Wald-) Erdbeeren in eurer Umgebung in der mundraub-Karte eintragen könnt. Und wenn du aufmerksam gelesen hast, weißt du nicht nur, wie du Walderdbeeren von Scheinerdbeeren unterscheidest, sondern auch unter welcher Kategorie du das neue Erdbeer-Icon findest. ;-) Viel Spaß beim Suchen, Sammeln, Ernten und Eintragen!

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Das wäre ja spannend, wenn sich die nahezu geschmacklose Scheinerdbeere in aromatische Konfitüre verwandeln ließe. Halte mich gerne auf dem Laufenden!

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Konfitüre aus der Scheinerdbeere soll ja durchauss sehr aromatisch schmecken - habe es aber selbst noch nicht probiert.

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Danke für deinen netten Kommentar, Sonja. Ja, es ist wirklich immer wieder toll und beeindruckend zu sehen, wie vielfältig die Pflanzenwelt doch ist!

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Stimmt, man muss oft aufpassen, und fein unterscheiden lernen :-) .... auch ich weiss erst seit einem Jahr den Unterschied zwischen Schein-Erdbeere und echten Walderdbeeren. Genauso ist es auch mit einigen anderen Früchten. Beispielsweise war es zunächst auch mit Johannisbeeren bei mir passiert. Ich weiss jetzt, wie die kleinen Beeren eine Johannisbeere der Form nach angeordnet sind, und eine Idee heller sind. Denn ich hatte Anfangs die Johannisbeeren auch mit anderen kleinen, roten Beeren  - also Heckenkirschen - verwechselt, die in Wirklichkeit giftig  sind. Danke für die genaue Info