Was sagen die mundraub-Daten aus?

So kam die Idee zustande

Im letzten Sommer bei einer Flasche Wein am Hamburger Hafen kamen die drei nicht mehr ganz so jungen Jungs Tim aus Hamburg, Gerald aus Rostock und Kai aus Berlin auf die Idee, den Datensatz von mundraub unter die Lupe zu nehmen und auszuwerten. Tim hat die Studie auf der agit 2019 in Salzburg vorgestellt.

Tim Klein präsentiert die Studie auf der agit

Die gesamte Studie kannst du dir auf gis.Point anschauen und herunter laden. Einfach auf das Bild klicken. 

Studie Mundraub Daten

Den Inhalt der Studie haben wir in diesem Beitrag komprimiert zusammengefasst. 

Welche Plattformen gibt es?

Seit 2009 können auf mundraub Fundorte essbarer Pflanzen eingetragen und auf inzwischen über 50 Tausend Standorte zugegriffen werden. Im deutschsprachigen Raum ist mundraub die größte Plattform dieser Art, international gibt es vergleichbare Webseiten zum Beispiel fallingfruit in den USA oder Na Ovoce in Tschechien und der Slowakei.

Was ist auf der mundraub-Karte eigentlich zu sehen?

Die meisten eingetragenen Pflanzen sind Wild- und Kulturobst, welches traditionell bereits seit dem späten Mittelalter im öffentlichen Raum angepflanzt wurde. Diese Tradition wurde in einigen Gebieten des Heiligen Römischen Reiches und der Donaumonarchie intensiviert. Im Zuge der Autarkiebestrebungen des Dritten Reichs kam die Bedeutung des Obstbaus an Straßen und Wegen zur Sicherstellung der Ernährung der Bevölkerung hinzu. In der DDR stellte der Straßenobstbau eine strategische Ertragsreserve dar. In Mecklenburg zum Beispiel stand Anfang der 1950er-Jahre jeder siebte Obstbaum aus dem Erwerbsanbau an einer öffentlichen Straße. In Berlin zeichnet sich der ehemalige Ostteil der Stadt noch heute durch eine höhere Obstbaumdichte aus und an Sachsen-Anhalts Straßen stehen immer noch über 300.000 Obstbäume aus dieser Zeit.

Welches Problem lösen diese Plattformen?

Die genannten Plattformen unterstützen das Sammeln essbarer Pflanzen in einer zunehmend verstädterten Welt. Sie fördern die lokale Identifikation und unter Umständen sogar den sozialen Zusammenhalt. Auch können sie dazu beitragen, sich Gedanken zur Herstellung unserer Lebensmittel zu machen. Neben sozialen Aspekten bieten sie auch einen ökologischen Wert: blühende und fruchtende Bäume als Teil eines Netzwerkes von Trittsteinbiotopen können zur Stabilisierung von Insektenpopulationen beitragen.

Wie wurden die Daten ausgewertet?

Die Einträge in der mundraub-Datenbank wurden geocodiert exportiert und mit zwei frei verfügbaren Datensätzen des Geodatenzentrums im Bundesamt für Kartographie und Geodäsie verschnitten:

  • den Verwaltungsgebieten mit Einwohnerzahlen vom 31.12.2016
  • der Landbedeckung

Die mundraub-Datensätze wurden zum einen nur mit den Polygonen der Verwaltungseinheiten, z.B. Gemeinden Deutschlands und zum anderen mit den Verwaltungseinheiten und mit der Landbedeckung verschnitten, um zuordnen zu können, in welchen Verwaltungseinheiten und Landbedeckungsklassen mundraub-Einträge zu finden sind.

Das haben wir herausgefunden

  • die meisten Einträge finden sich in Berlin mit knapp 10 Tausend Einträgen, gefolgt von Brandenburg mit knapp 7 Tausend, Sachsen-Anhalt mit 4,5 Tausend sowie Hamburg und Hessen mit rund 4,1 bzw. 3,7 Tausend.
  • Schwerpunkte liegen in den neuen Bundesländern sowie in Ballungsräumen
  • der größte Teil der Einträge sind Obstbäume
  • in Bremen und im Saarland wurden überwiegend Sträucher verzeichnet
  • in Hamburg und Berlin gibt es einen hohen Anteil Nüsse tragenden Pflanzen, so gibt es z.B. über 3.000 Haselnuss-Fundorte in Berlin und ca. 1.700 in Hamburg
  • etwa zwei Drittel aller Fundorte wurden in mehr oder weniger urbanen Bereichen eingetragen
  • die Anzahl der Einträge in Bezug auf die Einwohner ist in den nördlichen Bundesländern höher als im Süden
  • die Flächenländer Sachsen, Nordrhein-Westfalen und Hessen haben die höchste Dichte an Einträgen in Bezug auf die Fläche des Landes auf
  • Bremen weist eine relativ niedrige Dichte der Einträge in Bezug auf die Fläche im Land auf
  • Unterfranken und Württemberg weisen besonders niedrige Werte auf
  • kreisfreien Städten weisen höhere Dichten auf, vor allem in Bayern

Die Aktivität ist in großen Städten am höchsten

Die Zahl der Einträge steigt überproportional zur Einwohnerzahl. Das könnte an der hohen Zahl an Fundorten in mehr oder weniger urbanen Bereichen liegen, aber auch ein Indiz dafür sein, dass in größeren und dichter besiedelten Regionen mehr Mundräuber aktiv sind. In praktisch allen Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern sind Fundorte kartiert. Das Interesse im ländlichen Raum nimmt mit abnehmender Einwohnerzahl deutlich ab: in der Mehrzahl der kleineren Gemeinden unter 3.000 Einwohnern ist gar nichts kartiert. Gründe könnten die Verfügbarkeit eines eigenen Gartens, die Kenntnis ausreichender Fundorte in der näheren Umgebung, oder auch ein im ländlichen Raum häufiger gegebener professioneller bzw. kommerzieller Bezug zum Obstbau sein.

Der Korridor auf der Appel-Linie

Eine verhältnismäßig hohe Zahl von Fundorten ist in einem Korridor zwischen Aachen und Cottbus zu finden. Zu erwähnen sei an dieser Stelle, dass es sich dabei um die Appel-Line handelt, die die Niederdeutsche von der Mitteldeutschen Sprache trennt. Zufall? Wir wissen es nicht. Detailliertere Auswertungen, verbunden mit geschichtswissenschaftlichen Ansätzen könnten hier Klarheit bringen.

Biodiversity Interaction und Freiraumgestaltung

Mit dem Sammeln essbarer Pflanzen werden vorwiegend positive gesellschaftliche und gesundheitliche Effekte verbunden. Dies wurde in der Wissenschaft bereits als „biodiversity interaction“ beschrieben. Die Interaktion von Parkbesuchern mit einzelnen Pflanzen war in zwei Berliner Parks zum Beispiel weitaus häufiger zu beobachten als Joggen. Demnach wäre seitens der Freiraumplanung darauf zu achten, eine abwechslungsreiche Auswahl von Obstbäumen und -sträuchern in die öffentlichen Grünflächen zu integrieren, um die Potenziale essbarer Landschaften auszuschöpfen.

Fazit

mundraub.org ist ein Werkzeug, mit dem öffentliche Obstbäume einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden können. Weiterhin hat der mundraub-Datensatz auch Potenzial für naturschutzfachliche Planungen, da es sich um einen bundesweit relativ einheitlichen Datensatz essbarer Pflanzen handelt.

Download der Studie

Der „mundraub“-Datensatz: Stand und Potenzial für Naturschutz und Forschung